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„Dürre im Kopf“ – Mein Erfahrungsbericht

„Dürre im Kopf“ kostet 16.100 Euro – Strafbefehl gegen Volkswirt wegen Posts auf X

Weil er Katrin Göring-Eckardt auf X eine „Dürre im Kopf“ attestierte, den ARD-Journalisten Moritz Rödle als „Einfaltspinsel“ bezeichnete und den Anzeigensteller als „Denunzianten-Bürschchen“ verspottete, soll Volkswirt Thomas Vierhaus laut Strafbefehl des Amtsgerichts Düsseldorf 16.100 Euro Geldstrafe zahlen. Grundlage sind drei Beleidigungsvorwürfe nach §185 StGB – allesamt ausgelöst durch einzelne, zugespitzte Kommentare im Netz. Vierhaus sieht darin einen Angriff auf die Meinungsfreiheit und hat Einspruch eingelegt. Hier sein Erfahrungsbericht:


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

mein Name ist Thomas Vierhaus und ich gehöre zur Generation der sogenannten Babyboomer. In meinem Beruf ist es wichtig, ein großes Netzwerk zu pflegen. So entschloss ich mich im April 2022, auch auf X (vormals Twitter) aktiv zu werden.

Inzwischen habe ich über 20.000 Posts verfasst. Mittlerweile über 2.600 Follower schätzen meine Beiträge und Kommentare. Ursprünglich wollte ich mich vor allem mit anderen Ökonomen vernetzen, um deren Meinungen und Ansichten kennenzulernen. Das funktioniert auch wunderbar. Wenn es meine Zeit zulässt, lese ich aber auch andere Beiträge zu politischen, juristischen und gesellschaftlichen Themen.

Natürlich wusste ich von Anfang an, dass es auf X gewissen Regeln gibt, die man einhält, um nicht gesperrt zu werden. Darum kümmern musste ich mich allerdings nie. So war ich guten Willens unterwegs auf der Plattform und habe mich rege an verschiedenen Diskussionen beteiligt und gute Gesprächspartner gefunden. Das ging so lange gut, bis mir Anfang Oktober 2023 eine Aufforderung zur schriftlichen Äußerung als Beschuldigter vom Polizeipräsidium Düsseldorf ins Haus flatterte. Darin wurde mir vorgeworfen, ich hätte eine Straftat, und zwar eine Beleidigung nach § 185 des Strafgesetzbuches begangen.

Konkret sollte ich am 4. Juni 2023 gegenüber der Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt (KGE) auf X die Aussage getroffen haben:

„Ja, es gibt eine extreme Dürre, und zwar bei KGE im Kopf.“

Der Vorwurf stimmte; ich konnte mich sogar gut an meinen Kommentar erinnern. Ich reagierte damit auf eine vorherige Aussage der Grünen-Politikerin zum Klimawandel.

Frau Göring-Eckardt hatte geschrieben:

„Extreme Dürre in Spanien, beispiellose Waldbrände in Kanada, viel zu hohe Temperaturen auf den Meeresoberflächen. Die Klimakrise ist längst da, mit voller Wucht“.

Da kam mir plötzlich wieder ein Essay in den Sinn, der am 06. Juli 2021 in der Rubrik Politik in der Wochenzeitung „der Freitag“ als Weckruf veröffentlicht wurde. Er war mit „Dürre im Kopf“ übertitelt und behandelte die Klimakrise und das halbherzige Handeln der Politik. Und so schrieb ich meinen Post als Antwort.

Was daraufhin geschah, hätte ich im Leben nicht für möglich gehalten. Nachdem ich mich gegenüber der Polizei nur zu meiner Person geäußert hatte, beantragte ich Akteneinsicht, die mir gegen Gebühr auch gewährt wurde. Ich erfuhr, dass mich ein Denunziant (ich finde keinen anderen Begriff für diesen Mann) aus Frankfurt aufs Korn genommen und KGE zu einer Anzeige bei der Berliner Polizei animiert hatte. Die setzte daraufhin den kompletten deutschen Überwachungsapparat in Bewegung, um meine Identität herauszubekommen, und so landete der Vorgang schließlich in Düsseldorf, erst bei der Polizei und dann bei der Staatsanwaltschaft.

Dort verblieb der Vorgang und ich hörte nach meiner schriftlichen Stellungnahme lange Zeit nichts mehr, bis ich vor wenigen Tagen am 16. August 2025 den Strafbefehl vom Amtsgericht Düsseldorf über 70 Tagessätze zu je 230,00 Euro (= 16.100,00 Euro) im Briefkasten vorfand, gegen den ich mithilfe eines Fachanwalts für Äußerungsrecht Einspruch eingelegt habe. Das ist das vorläufige Ende dieser Geschichte. Ich habe nun viel aus ihr über den äußerst bedenklichen Zustand unseres Staates, unserer Politik und unserer Justiz gelernt.

Bis hierhin bin ich immer davon ausgegangen, dass es bei uns im Land ein grundgesetzlich geschütztes Recht auf freie Meinungsäußerung, charakterfeste Politiker und eine unabhängige Justiz gibt.

Dass das alles eine riesige Täuschung ist, weiß ich jetzt. Die freie Meinungsäußerung gibt es nur auf dem Papier, charakterstarke Politiker nur in meiner Vorstellung und die unabhängige Justiz nur in diversen Sonntagsreden. In Wahrheit ist alles ganz anders; nur ich habe die Augen bislang vor ihr verschlossen. Die Denunzianten sind in großer Zahl mitten unter uns, engstirnige Politiker sind längst in der Mehrheit und die Justiz ist zu ihrem Machtinstrument geworden.

Wenn eine Aussage, wie ich sie in einem spezifischen Sinn- und Sachzusammenhang gegenüber einer selbst nicht gerade unbescholtenen Politikerin getätigt habe, eine Straftat darstellt, dann sind die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit in Deutschland außer Kraft gesetzt, dann wird das Recht gebeugt. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach auf die Bedeutung und den verfassungsmäßigen Rang der freien Rede hingewiesen und darauf, dass öffentliche Personen auch kritische, zugespitzte und unbequeme Kommentare zu ihrer Person zu dulden haben. Gegen diese Grundsätze unseres obersten Gerichts haben die Staatsanwaltschaft und der zuständige Richter am Amtsgericht Düsseldorf mit ihrem Urteil nach meiner festen Überzeugung eklatant verstoßen.

Mir kommt es so vor, als wolle man mich gezielt einschüchtern und mundtot machen. Ich fühle mich wie ein gemeiner Verbrecher behandelt, der ich nicht bin und niemals sein werde. Wenn man so alt ist wie ich, ist das zutiefst irritierend und tut das besonders weh, weil ich mich immer über 60 Jahre lang als treuer Staatsbürger benommen und mir nichts habe zu Schulden kommen lassen.

Ich hoffe trotzdem, dass sich die Gerechtigkeit und das Recht auf freie Meinungsäußerung doch noch durchsetzen werden. Dafür streite ich jetzt in der nächsten Instanz.

Thomas Vierhaus
Düsseldorf, den 20. August 2025